Kürzlich hatte ich einen irren Traum: Ich hockte im Lotusblütensitz (mit der Reclam-Version des „Kommunistischen Manifests“ in der Arschbackentasche meiner bequemen Basthosen) am Juteteppich meines Kommunenzimmers. Ich sah mir auf meinem boboesken iPad noch einmal die Zahlen der Vermögenserhebung der österreichischen Sozialministeriums (PDF) an. Und in mir stieg dabei ein animalischer, vermutlich marxistischer Trieb hoch. „Eigentlich“, dachte ich, „sollten die Reichen doch wirklich bluten“. Welche extremsozialistisch Maßnahmen mir dabei in den Sinn kamen? Ihr erfahrt es hier.
Die Ungerechtigkeit, dass bei Vermögenssteuern bereits besteuertes Geld damit nochmal besteuert würde, die war mir in diesem Moment egal. „Die Reichen habens“, dachte ich. „Wen interessiert da die Gerechtigkeit?“ Und wer würde auch wirklich nur eine pflegebedürftige süße Omi leiden lassen, wenn stattdessen ein Haufen grausiger, dicker Bonzen mit schiefen, gelben Zähnen gegrillt werden könnte?
Die Zahlen sagten Folgendes: Das reichste Prozent der Österreicher besitzt im Schnitt ein Geldvermögen von 470.000 Euro.
Darin sind noch keine Unternehmensanteile und Immobilien enthalten. Die würden weitere 5 Millionen Euro pro Nase ausmachen. Die Berechnungen gelten übrigens für 2002.
„Na bumm!“, kreischte ich und fuhr mir mit den Händen durch die fettigen Hippiehaare. Der Neid trieb mich – vielleicht war ich auch von stalinistischen Dämonen besessen. Meine Enteignungsfantasien entglitten mir jedenfalls. Ich wollte die Reichen an meinem Hungertuch nagen sehen. „Ein Prozent!“, stammelte ich, “ Soviel davon müsste man denen wegnehmen“. Mein teuflisches Lachen schallte auf die Straße. Mein langzotteliger Schottischer Hirtenhund hörte auf, ins öffentliche Blumenbeet zu kacken, trottete ins Zimmer und legte sich zitternd in die Ecke unter das Portrait von Mao Tse-tung.
Zwecklos
Aber noch war ich einigermaßen vernünftig. Ich erinnerte mich an die vielen, ehrlichen Lobbyisten und neoliberalen Politiker, die in ihren Predigten immer wieder betonen: „Wenn man diesen Reichen was wegnimmt, dann bringt das nur Peanuts“. Von diesen 470.000 Euro ein lausbefallenes Prozent Steuern einzuheben, das könnte das Budget wohl nicht retten. Der Extremismus verließ mich, ich wollte entmutig aufgeben und meine Bio-Milch trinken.
Doch der solarbetriebene Taschenrechner auf meinem Bambustisch schien auch dem sozialistischen Wahn verfallen zu sein. Er fletschte sein Display, winkte mich verführerisch zu sich und hauchte mir hinterlistig ins Ohr: „4.700 Euro pro Jahr von einem Prozent der Österreicher? So eine Krisen-Sondersteuer würde dem Staat 280 Millionen Euro einbringen“.
„4700 Euro? Das verspielt so einE UnmenschIn an einem Abend im Casino! Und dann lacht er/sie bei einem Prosecco drüber, während er/sie die blöden Armen verspottet!“, sprach ich gendergerecht, während ich „Das Kapital“ wütend vom ökologisch abbaubaren Schrein stieß. Der Kommunist in mir übernahm mittels gewaltfreier Kommunikation das Kommando. Mit 280 Millionen Euro könnte man sich die Einsparungen bei der Familienbeihilfe komplett sparen und die Unis mit weiteren 45 Millionen mehr entlasten.
Ein Prozent Vermögenssteuer für das vermögendste Hundertstel der Österreicher würde objektiv gesehen natürlich den Mittelstand umbringen, den unsere fromm-christlichsoziale Regierungshälfte sich einbildet. Aber in meiner Radikalität kannte ich eben kein Pardon.
Und jetzt noch den Armen das Geld aus der Tasche ziehen!
Doch die absehbaren Einnahmen stoppten meinen Blutrausch nach einigen Minuten. Ich wollte den restlichen Österreichern nicht mehr viele alternative Umschichtungen zumuten. Das oberste Zehntel war mein letztes Ziel. Gewiss, das sind die Schwächsten unter der Alpensonne. Sie haben keine Stimme in der Öffentlichkeit. Aber so unmenschlich sind geträumte Sozialisten eben – sie hacken auf denen rum, die sich nicht wehren können.
Wenn man man das reichste Prozent aus dem reichsten Zehntel Österreichs rausrechnet, besitzen die folgenden neun Hundertstel des Landes im Schnitt 124.000 Euro an Geldvermögen (500.000€ an Immobilien und Unternehmensanteilen pro Person kommen wieder unberührt obendrauf).
„Dieses Geld nun mit 0,5% zu besteuern, DAS kann nun wirklich nicht mehr sinnvoll sein“, erklärte mein gemäßigtes Ich meinem Taschenrechner. „620 Euro pro Person und Jahr einzuheben ist mehr lächerlich als sinnlos!“. Doch der Taschenrechner blieb blutrot. „330 Millionen jährlich bringt das, du sozialdemokratischer Verräter„, zischte er mir zu.
„Echt? Damit kann man doch die Einsparungen am Pflegegeld vergessen – noch 50 Millionen für Bedürftige ausschütten. Und dann blieben noch 273 Millionen Euro um die Schulen aus der schlimmsten Elend zu ziehen!“, meinte ich, nun gänzlich dem Bann des Taschenrechners verfallen. Der Sabber zog sich in einer schleimigen Spur aus meinem ekelhaften Umverteilermaul.
Wäre ich in diesem Traum alleinregierender Bundeskanzler gewesen, wären in diesen fünf Minuten des grünsozialistischen Irrsinns unverantwortlicherweise die schlimmsten sozialen Härten aus dem Budget gefallen. Pflegefälle, jugendliche Arbeitslose, Studierende und Familien müssten nicht auf tausende Euro verzichten – und dazu wären die Investitionen in Bildung um (ausnahmsweise nicht fiktive) 310 Millionen Euro erhöht. Ein Drittel der geforderten Bildungsmilliarde wäre aufgestellt. Sapperlott! Zum Glück haben Irre wie ich auch im Traum nichts zu melden.
Denn der Preis dafür wäre zu hoch!
Schließlich kam ich wieder zur Vernunft. Selbst mir (in meinem dunkelsten, linksgrünen Traumstündchen) wurde sofort klar, dass die Konsequenzen zu brutal wären. In Scharen müssten die Reichen die Nation verlassen. All ihr Hab und Gut würden sie panisch am Brunnenmarkt an gierende Ausländer verkaufen müssen, die sich mit ihren ausufernden Sozialleistungen die vielen Villen, Unternehmen und Banken unter den Nagel reißen würden. Die armen Reichen müssten ihr Geld in die Sitze ihres letzten verbleibenden Mercedes vernähen (Erbstücke verkauft man eben auch in schlechten Zeiten nicht) und zitternd im Kofferaum von ihren Chauffeuren über die Grenze geschmuggelt werden.
Irgendwann würden sie das gelobte Land erreichen. Eine Steueroase in der Dritten Welt. Gezeichnet von der Flucht würden sie dort (hinter meterhohen Mauern mit Stacheldraht darauf) auf einem Haufen Geld sitzen und Beruhigungscocktails trinken. Sie würden die Schrecken des radikalsozialistischen Schaffer-Österreichs rekapitulieren und urteilen: „Vermögenssteuern stürzen ein Land in den Abgrund. Gut dass hier noch alles in Ordnung ist“. Kurz danach würden sie glauben einen Schuss gehört zu haben. Und außerhalb ihrer Mauern wäre tatsächlich unbetretbares Terrain: Slums, in denen lokale Gangs Kinder und Frauen ermorden. Und unter den Geschäftsvierteln wären U-Bahnen, die kein Millionär lebend mit seiner kiloschweren Rolex verlassen könnte.
Mir war wieder klar: Als Reaktion auf die Krise ein paar Jahre lang 1% des Geldvermögens des reichsten Hundertstel Österreichs und 0,5% von dem der folgenden neun einzuheben? So Budgethärten abzufedern wäre gewiss das Todesurteil für diese moderne Nation!
Erleuchtet von dieser Erkenntnis flüsterte ich vor mich hin: „Und jetzt stelle man sich vor, man würde auch noch dieselben Steuern auf Immobilienvermögen einheben. Blanker Irrsinn!“
Es tippte an meiner linken Schulter.
Ich drehte mich um. Mein Taschenrechner schlürfte mit Wahnsinn im Blick kurz an seiner Bionade. Ich konnte riechen, dass er eine Haschzigarette geraucht hatte, denn er schrie mir plötzlich ins Gesicht: „Das brächte 1,85 Milliarden im Jahr!“
„Schnauze!“, fauchte ich, „Deine naive Scheisse braucht hier echt niemand“.
Endlich: Ich war wieder zu Sinnen gekommen.
Fotocredits: gillyberlin, CC2.0 BY
Nur ums für die ganz Langsamen klarzustellen. Obwohl mein Vorschlag die Vermögen der Reichen moderat zu besteuern durchaus ernst gemeint ist, und die verwendeten Zahlen nachprüfbar real, sind die Darstellungen in diesem Text sowohl von mir als auch von anderen Menschen und Gruppen satirisch gemeint und entbehren jeder Grundlage. Bei der Produktion dieses Texts kamen keine Menschen und Tiere zu Schaden.