Ein Terrorkommando der Al-Kaida stürmt den Berliner Reichstag, nimmt Geiseln und richtet ein Blutbad an. Eine grausige Vorstellung. Grund genug für den deutschen Innenminister die Bürger vor einer Bedrohung Deutschlands durch islamistische Terroristen zu warnen. Und ihnen damit die Arbeit abzunehmen.
Die Warnung ist kein Einzelfall. Es ist nicht lange her, dass die Vereinigten Staaten ihre Bürger vor einer erhöhten Terrorgefahr in Europa warnten. London sprach danach von einer „wirklichen und ernsthaften Terrorgefahr“ für das Land und in Paris führten regelmäßige, aber folgenlose Bombendrohungen für den Eiffelturm zu einer immer stärkeren Polizeipräsenz in der Öffentlichkeit.
Notwendige Warnung oder gezielte Hysterie?
Die Reaktionen auf solche Warnungen sind unterschiedlich. Die einen fühlen sich in ihrer Angst vor dem islamistischen Terrorismus bestätigt und fordern stärkere Sicherheitsmaßnahmen. Eine kleine deutsche Zeitung brachte dies prägnant auf den Punkt: „… Politiker, die auf mangelnde Ausrüstung und lückenhafte Gesetze hinwiesen, wurden als Sicherheitsfanatiker belächelt. Seit gestern kann man die Gefahr nun auch im Alltag nicht mehr übersehen.“
Für die Anderen ist genau das der eigentliche Zweck der Warnungen: Angst zu erzeugen um neue und strengere Sicherheitskonzepte durchzusetzen. Oder auch einfach von unliebsamen Themen in der Öffentlichkeit abzulenken. Wo genau, ist die Gefahr „im Alltag“ denn nun sichtbarer als vorher?
Die Informationen, auf denen diese Warnungen basieren, kommen meist aus Geheimdienstquellen. Sie sind damit nur schwer zu belegen und unmöglich zu widerlegen. Nur die Zeit kann zeigen wer Recht hat. Allerdings nur dann, wenn etwas passiert, passiert nichts haben die Warnungen eben ihren Zweck erfüllt und die Anschläge verhindert.
Passiert also nichts, fühlen sich alle bestätigt: die Warnungen waren unbegründet oder eben erfolgreich. Ist ein Terroranschlag erfolgreich fühlen sich alle bestätigt: die Warnungen haben nichts gebracht oder wurden nicht ernst genug genommen. Wird ein Terroranschlag unsichtbar verhindert bzw. solches behauptet, fühlen sich alle bestätigt: die Behauptung ist ein weiterer Versuch Angst zu schüren oder die Warnungen waren erfolgreich. Nur wenn ein Terroranschlag öffentlich verhindert wird, geraten die KritikerInnen der Warnungen in Argumentationsnotstand, ihre BefürworterInnen haben gar keine Stolperdrähte zu fürchten.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob und wie solche Warnungen Anschläge überhaupt verhindern könnten. Kann die mit den Warnungen eingeforderte erhöhte Aufmerksamkeit von BürgerInnen einen Selbstmordattentäter stoppen? Und ist die Angst vor Anschlägen nicht so schon groß genug, dass ein rauchendes Auto oder ein verlassener Koffer auf der Straße für Alarm sorgt?
Aber auch das sind Fragen, die nicht beantwortet werden können. Ähnlich wie oben werden sich auch hier in jedem Fall alle Meinungen bestätigt fühlen. Politische EntscheidungsträgerInnen und ihre KritikerInnen sind in einem unlösbaren Diskurs gefangen.
Sieger und Verlierer eines unlösbaren Diskurses
Eine, oft nur indirekt beteiligte, Gruppe ist der große Sieger dieses Dilemmas. Der „islamistische Terrorismus“ muss gar nicht mehr aktiv terrorisieren um Angst und Schrecken in der westlichen Welt zu verbreiten. Vielleicht wird das zeitlich nicht unbegrenzt funktionieren, aber im Moment reicht es aus, einen „Dschihadisten“ als Informanten den Geheimdiensten von Terrorplänen berichten zu lassen. Tatsächlich durchgeführte Anschläge sind nicht mehr nötig.
Wenn der deutsche Innenminister meint, die Behörden würden nicht zulassen, dass der internationale Terrorismus „in unserem Land Angst und Schrecken verbreitet“, dann stimmt das nur soweit, als die Behörden selbst das Angst-und-Schrecken-verbreiten übernehmen. Eine fragwürdige Leistung.
Der kleine Sieger, sind die AnhängerInnen von immer stärkeren und strengeren Sicherheitsmaßnahmen. In den USA sind Nacktscanner und Intimkontrollen auf Flughäfen schon (noch stark bekämpfte) Realität, in Deutschland werden sie noch getestet. Ihre BefürworterInnen fühlen sich von solchen Warnungen natürlich bestätigt.
Der große Verlierer ist die westliche Gesellschaft. Sie ist in einem scheinbar unlösbaren Diskurs über potentiellen Terror gefangen, der selbst eigentlich schon den Erfolg des Terrorismus bedeutet. Hysterie wird zum politikbestimmenden Element, ohne, dass auch nur eine Bombe gezündet werden muss.
Foto Cover: SpreePiX – Berlin
Foto Artikel: Piratenpartei Deutschland