Die Terroranschläge von Oslo haben dazu geführt, dass die Inhalte der neuen rechtsextremen Bewegungen ins Rampenlicht gerückt werden. Angst vor und Hass auf Einwanderer und besonders Muslime und ihre angebliche Verschwörung einer „Islamisierung“; Frauenfeindlichkeit; ein Weltbild in der von den konservativen Volksparteien bis hin zu kommunistischen Splittergruppen alles mit „links“ bezeichnet und als Heimatverräter verabscheut wird, die Symbolik des Abwehrkampfes christlicher Kreuzritter gegen die Türkenbelagerung und noch einiges mehr hat Breivik als Rechtfertigung seiner Taten herangezogen. All das kennt man dank der FPÖ leider sogar aus dem österreichischen politischen Diskurs. (Sogar die Kreuzrittermontur hat HC Strache schon gegen die Türkenbelagerung angezogen) Aber man sollte es sich mit den Schuldzuweisungen nicht zu einfach machen.
Der Umgang der Rechtspopulisten (von der FPÖ bis zur „Fortschrittspartei“ in Norwegen) mit der politischen Debatte nach den Anschlagen hat sich schnell gezeigt. Sie beschuldigen alle, die dieses Thema mit ihnen in Zusammenhang bringen, Teil einer linkslinken Medienverschwörung zu sein. Dass das fast immer völlig aus der Luft gegriffen ist, ist dabei egal. Wer ihre Facebookseiten beobachtet, wird erkennen müssen, dass es ihre Anhängerschaft nicht kümmert, dass mit der Kronen Zeitung die größte Zeitung Österreichs flink zur Ehrenrettung der FPÖ eilt. Die AnhängerInnen akzeptieren den Spin der FPÖ, dass die Medien ihr hier was anzuhängen versuchen. Auch deshalb, weil diese Kommunikationsstrategie nicht neu ist. Sie kommt verlässlich immer dann zum Vorschein, wenn eine Kritik an der Partei schwer anders zu entkräften ist. Das ist bei ihrer Anhängerschaft auch – wie beabsichtigt – hängen geblieben.
Billiges kommt teuer
Anders Breiviks Terroranschlag von Oslo stammt natürlich aus einer Gedankenwelt, der die Rechtspopulistinnen und -extremisten bedauerlicherweise nicht allzu fern sind. Doch wer einfach nur mit dem Finger auf Strache zeigt und „Das hast du zu verantworten!“ schreit, wird niemanden damit überzeugen, der es nicht schon vorher war. Man tut der FPÖ & Co. damit sogar einen Gefallen. Es erlaubt ihnen einmal mehr, sich in ihrer ersponnenen Opferrolle darzustellen, und weniger über die augenscheinlichen Parallelen mit dem ideologischem Hintergrund der Terroranschläge zu sprechen.
Abgesehen von der Frage, ob es überhaupt fair ist, die FPÖ frontal für einen Anschlag anzugreifen, in den sie nicht direkt verwickelt ist, führt es also auch nicht wirklich zum möglichen Ziel, ihr irgendwie zu schaden. Die faktischen Verbindungen sind viel zu subtil, um daraus solch schnelles politisches Kapital schlagen zu können.
Die Kosten für die Rechtspopulisten
Da die ideologischen Hintergründe Breiviks sich so offensichtlich mit denen rechtspopulistischer Parteien in Europa überschneiden, werden diese aber ganz automatisch Schaden davon tragen. Das Schlager-Thema der letzten Jahre, die Islamisierungshysterie, ist zum Beispiel für einen Wahlkampf vorerst gestorben. Wer nach diesen schrecklichen Auswüchsen des Hasses auf politische Gegner und kulturell unterschiedliche Menschen wieder in einem Comic ein Kind zum Zwuschelschießen auf Türken auffordert, „Daham statt Islam“ oder Sprüche über die Bedrohung des „Wiener Bluts“ durch „Fremdes“ plakatiert, wird sich rechtfertigen müssen und darauf hingewiesen werden, dass diese politische Kultur die Brutstätte für den nächsten Breivik ist. Und in einem auf diese Weise sensibleren Klima, kann man damit nur noch bei Extremisten punkten.
Wir wollen aber natürlich nicht, dass das zu einer diskursiven Keule verkommt, in der Menschen aus Furcht vor sozialer Ächtung nicht mehr öffentlich sagen was sie denken, auch wenn sie davon überzeugt sind. Das wäre bequem, aber würde uns unweigerlich wieder dahin führen, wo uns Breivik gebracht hat. Das Ziel ist es, dass die Leute ihren Islamhass ablegen oder gar nicht erst auf die Propagandageschichten der Unverbesserlichen hereinfallen.
Symbole nicht aushöhlen lassen, sondern beleben
Denkt man all dies weiter, zeigt sich einmal mehr, wie man auf einer politischen Ebene gegen Populisten, Demagoginnen und ExtremistInnen (egal welcher Art) vorgeht: Nicht indem man sie pauschal mit schrecklichen Labels wie „Faschismus“, „Nazis“ oder „Terrorismus“ zupflastert. Wenn man das zu oft tut, verliert es für die distanzierteren BeobacherInnen jede Bedeutung – also einen großen Anteil der Bevölkerung. Symbole gegen Extremismus haben auch ihre soziale Wirkung. Aber wird diese überstrapaziert, verkommen sie zu hohlen Phrasen. Die Symbole und Begriffe gegen politischen Extremismus müssen deshalb immer wieder mit begeisterungsfähigen Argumenten und sicheren Fakten unterfüttert werden, damit sie für die Gesellschaft weiterhin wichtig bleiben. Verabsäumt man das, öffnet man der Türen für die Propagandisten ihrer Feinde.
Es ist die Aufgabe von Leuten, die auf die Errungenschaften unserer Zivilisation – Demokratie, Republik, Menschenrechte – acht geben wollen, vor allem den ideologischen Boden von ExtremistInnen zu entlarven und ihnen auf einer inhaltlichen Ebene bessere Argumente entgegen zu richten. Das delegitimiert ihre Grundlage und reduziert ihre Anziehungskraft. Und um dieser argumentativen und sachlichen, politischen Vorgangweise zu entkommen, kann man einer breiten Anhängerschaft dann auch keine „linke Medienverschwörung“ vorgaukeln.
Es wäre schon lange an der Zeit, dass die Kräfte der demokratischen Vernunft erklären, warum eine offene Gesellschaft – die Menschenrechte, Vielfalt und Toleranz ehrt auch wenn das phasenweise schwieriger scheint – die viel bessere Idee ist, als das was uns auf so tragische Weise nach Utoya und Oslo geführt hat. Es gibt ja keinen sachlichen Zweifel daran. Aber dass wir im Großen und Ganzen in einer solchen Gesellschaft leben, hat uns zu behäbig gemacht. Die Stimmen, die weiter enthusiastisch für das großartige System der vielfältigen, demokratischen Gesellschaft werben, sind zu lange stumm geblieben.