Düster. Düster. Düster.

Denkt nicht daran, JournalistIn zu werden! Die Aussichten sind … düster. Bald würde euch niemand mehr bezahlen. Und einem Ideal nachlaufen ist nicht sinnvoll, denn Qualität geht eh unter, in dieser schnelllebigen Twitter-Zeit. Unsere Demokratien sind dadurch auch gefährdet. Der ORF rief zum Diskussionsabend (böse Twitter-Ticker) zur Zukunft des Qualitätsjournalismus – und der hatte eine Menge negative Nachrichten zu bieten. Dabei war er so vergnüglich wie selten eine Podiumsdiskussion.

Sturm

Nick Davies (Autor von Flat Earth News) hielt vor einem vollgestopften Hörsaal 1 des NIG (jetzt weiß auch der ORF, wie sich PoWi-Studierende fühlen) eine Keynote, wie sie in diesem Land aus unerfindlichen Gründen wohl nur wenige Menschen halten könnten. Dann boxten ZEIT-Redakteur Joachim Riedl, Armin Wolf (lustig: ich hab das dank seiner Twitter-Promotion irgendwie als „seinen Abend“ aufgefasst) und Fritz Hausjell ein bisschen auf Atha Athanasiadis ein, der zwar Chefredakteur von News ist aber (unter anderem eben deshalb) wirklich gar nichts in der Debatte zu suchen hatte. Ein Klaus Stimeder (DATUM-Boss, kaufen!) als wichtiger Talenteschmied des Landes ging ab (aber dann wär das Ganze vielleicht zu produktiv geworden).

Alle machten sich Sorgen um den Qualitätsjournalismus. Durch eine Kommerzialisierung geraten JournalistInnen unter Druck. Redaktionen bekämen immer mehr Aufgaben und dafür immer weniger Zeit (aktuelles macht etwa Die Presse ihre neue Sonntagsausgabe mit demselben Personal wie vorher die anderen sechs Ausgaben), weshalb PR-Märchen unhinterfragt übernommen werden (es gibt in Österreich mindestens doppelt so viele PR-Menschen wie JournalistInnen). Un- bzw. halbwahre Nachrichten werden gedruckt (weil sie sich verkaufen). Und dann saß da unten der Chefredakteur von NEWS und erklärte, man müsse doch in Wirklichkeit einfach nur nachfragen, dann komme die Wahrheit schon heraus. Wie gesagt: er hatte dort nichts verloren.

Die Journalismus-Krise also. Schon wieder eine Krise. Während sich die gut positionierten Herren am Podium um ihre Zukunft keine Sorgen machen müssen (und wir uns deshalb auch nicht vor dem Tod des Journalismus an sich fürchten müssen), saßen im Publikum vorrangig junge Leute – meist Kommunikationswissenschafts-Studierende. Sie mussten den Eindruck bekommen, dass eine Journalismus-Karriere ähnlich vielversprechend ist, wie ein Sprung aus einem Flugzeug – mit einem Fallschirm der von einem 5-jährigen zusammengepackt wurde. Tatsächlich werden junge JournalistInnen es in den nächsten Jahren vor allem schwer haben, in eine Redaktion zu stoßen – weil viele Redaktionen (vor allem Zeitungen) sterben werden.

Vielleicht liegt es an meiner Mentalität, aber die daraus geborene Untergangsstimmung kann ich nicht akzeptieren.

Es wird hell

Zu allen Zeiten brauch(t)en Menschen Informationen und streben danach, dass sie möglichst gut sind. Deswegen braucht es auch Menschen, die sie zusammentragen und aufbereiten. Junge Schreiberlinge werden zukünftig mehr Eigeninitiative brauchen und müssen sich ihre Medien selbst schaffen (übrigens schlussendlich doch ein bemerkenswert wichtiger Athanasiadis-Beitrag zur Debatte). Sie müssen sich mit neuen Technologien beschäftigen und Selbstvermarkter werden. Den Vorsprung in diesem Bereich sollten sie sich vor den bereit etablierten Journalisten schon seit langem erarbeiten und sichern. Das klingt als gäbe es neue Aufgaben? Man könnte hart sagen, wer solchen Mut und diese Neugierde nicht mitbringt, der war wahrscheinlich noch nie zum Journalismus berufen.

Freilich haben die Etablierten vor diesen Änderungen Angst (also die, die man öffentlichkeitswirksam darüber reden lässt und die diese Angst deshalb verbreiten können). Aber die Jungen sollten sich nicht anstecken lassen. Während sie nichts anderes kennen werden (oder noch relativ flexibel sind), müssen die Alten in eine neue, unbekannte Welt weiterschreiten.

Ich habe eine Theorie.

Die Angst vor der Zukunft wird immer von alten Menschen verursacht – mögen sie manchmal auch geringen Alters sein.

(Ich habe mich kürzlich hier über sowas geärgert.)

Gleichzeitig zur Verlagerung der Inhalte in neue Medien und zur Finanzierungsnot der großen Redaktionen gibt es noch andere Entwicklungen. Medien werden spezieller – einige werde regionale Schwerpunkte setzen (was es für neue Medien und junge Medienmacher leistbar macht, sich zu etablieren), ander ihre globale Expertise nutzen. Die Praxis, dass alle Medien mit hohem Aufwand dasselbe (aus denselben unzuverlässigen Quellen) bringen, die wird untergehen (und ich wüsste nicht, warum man um die trauern sollte). Dass fähige JournalistInnen zukünfitg Agenturmeldungen umschreiben, das wird nicht mehr erlaubt sein. Ihre Kompetenz wird anders gebraucht.

Digitalisierte Medien (und das werden bald alle sein – die Zeitungen, das Fernsehen und das Radio) sind im Internetzeitalter Pull-Medien und als solche können sie sich Austauschbarkeit nicht leisten. Nur wenige Menschen bleiben überhaupt bis zu diesem Punkt optimistisch, kommen dann aber zur „Unübersichtlichkeit des Internets“, die ihnen Furcht einflößt. Die Antwort darauf könnte aber gar nicht einfacher sein, weil sie schon längst gegeben ist. Digg, Twitter, Facebook und ihresgleichen sind es, die bestimmen werden, was wichtig ist. Die sozialen Medien, von denen so viele sprechen, die aber nur so wenige kapieren, übernehmen die Filterfunktion. Und weil Menschen in ihren Interessen so ähnlich sind (sonst hätte es Massenmedien überhaupt nie gegeben), wird es auch weiter gesellschaftliche Kitt-Themen geben über die jede und jeder spricht.

Aus den Massenmedien wird Massencontent. Aus der Top-Down-Titelseitenmentalität der Gegenwart wird eine Grassroots- und Bottom-Up-Informationslandschaft. Der gute Riecher von hervorragenden JournalistInnen wird etwas mächtiger, die Auflagenmacht geht den Bach hinunter. Und da versteckt sich eigentlich bestenfalls eine große Chance für den Qualitätsjournalismus, jedenfalls aber keine bedrohliche Gefahr.

Und wie sich das finanzieren soll? Öffentliche Finanzierung ist ein denkbarer Teil-Ansatz. Pay-Modelle wird es in hochspezialisierten Bereichen auch geben. Aber die hauptsächliche Einnahmequelle wird Werbung sein. Interessanterweise wird von den KonsumentInnen dadurch durch Werbungs-Konsum indirekt vielleicht das erste Mal wirklich für Content bezahlt, nicht für Papier.

Die Gefahren, Probleme und Herausforderungen der Zukunft werden durch neue Chancen mehr als ausgeglichen.

Chancen! Chancen! Chancen!
Verdammt nochmal! Chancen!

Sonnenaufgang

Fotocredits:
1. bildbunt (CC2.0-BY-NC-SA)
2. el tomme (CC2.0-SA)
3. Klaus the Barracuda (CC2.0-BY-NC-SA)

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