Wenn man in Österreich von Postenschacher spricht, dann verwendet man dafür meist den Begriff Freunderlwirtschaft. Die typisch österreichische Verkleinerungform -erl bringt auch optimal zum Ausdruck wie damit öffentlich umgegangen wird. Im Grunde genommen nämlich gar nicht.

Faktum ist, dass recht häufig nicht Qualifikation, sondern der Verwandtschafts- bzw. Bekanntschaftsgrad bestimmt, wer eine bestimmte Stelle, ein bestimmtes Amt bekommt. Und selbst wenn die Postenschieberei augenscheinlich ist, sogar schriftlich belegt, man tut munter weiter damit, weil man in Österreich besonders viel Wert auf liebgewonnene Traditionen legt.

Heiliger Nepotismus hilf!

Jede von uns kann mit Sicherheit spontan mehrere Fälle aufzählen, in denen augenscheinlich unqualifizierte Leute, mit einem mehr oder weniger großen Naheverhältnis zu dieser oder jener Partei, einen Job erhalten haben, weil sie jemanden kannten, der auf die Stellenbesetzung Einfluss hatte. Manchmal sind freundschaftliche Beziehungen, manchmal Verwandtschaftsverhältnisse ausschlaggebend. Immer jedoch endet die Bewerbung des untauglichen Kandidaten mit seiner Einstellung.

Gerade aktuell sind wieder Personen im Dauerlicht der Öffentlichkeit, die manchmal mehr, manchmal weniger diskret ihre Machtpositionen ausgenutzt haben, um Freunden Jobs oder Aufträge zu verschaffen.

Was hat das mit Demokratie zu tun? Zum Einen geht es bei der Vermittlung von Arbeitsverhältnissen, die im direkten oder erweiterten Umfeld des Staates liegen um Entscheidungen von Amtsträgern, die sich noch mehr als der private Einzelne an Gesetze und Bestimmungen zu halten haben.

Deshalb gibt es diesbezüglich auch strengere Reglementierungen. So gilt es Diskriminierungen zu vermeiden, Stellen sind öffentlich und geschlechtsneutral auszuschreiben, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge schließlich kommen weitere gesetzliche Pflichten hinzu, denn wer als gewählter Mandatar Entscheidungen trifft, trifft diese nicht als Einzelperson, sondern als Repräsentant des Staates.

Kein Ende in Sicht?

Trotz allem fragt man sich, warum es auch im 21. Jahrhundert nicht möglich ist, Postenbesetzungen transparent und vor allem basierend auf einer nachvollziehbaren, ausreichenden Qualifikation der Kandidaten durchzuführen bzw. warum es noch immer Gang und Gebe ist, völlig unqualifizierte Günstlinge auf diverse Versorgungsposten zu befördern?

Damit komme ich zur Meritokratie. Besser gesagt zur Anwendung meritokratischer Prinzipien innerhalb der Demokratie. Auf Wikipedia steht unter anderem Folgendes zu lesen:

Eine Meritokratie (lat.: meritum „das Verdienst“ und griech.: κρατεῖν, kratein „herrschen“) ist eine Regierungsform, bei der die Amtsträger (Herrscher) aufgrund ihrer Leistung ausgewählt werden.

Wenn also unsere Amtsträger nicht in der Lage sind, Personen für bestimmte Stellen aufgrund objektiver Leistungskriterien auszuwählen, dann kann man logischerweise daraus schließen, dass sie auch selbst nicht durch diese Eigenschaften zu ihrem Mandat gekommen sind, und wir in Österreich von einer Meritokratie somit noch meilenweit entfernt sind.

Schließlich ist es dem Großteil der ins Amt gewählten Jobbeschafferinnen nicht mal mehr peinlich, diverse untaugliche Bewerber auf die vorherbestimmten Posten zu loben, von sogenannten unabhängigen Besetzungskommissionen erstellte Rankings auf den Kopf zu stellen, oder diese so lange neu auszuschreiben, bis das Ranking passt.

Was man dagegen tun kann? Ganz ehrlich, ich bin mir auch nicht sicher, aber nachdem ich beim Nachdenken über Günstlingswirtschaft und die zugrunde liegenden persönlichen Verbindlichkeiten, die zur Jobverschaffung führen – schließlich fühlt man sich zur Leistung eines Gefallens eher verpflichtet, wenn man jemandem etwas schuldet –  bei den Themen Parteienfinanzierung und Lobbying gelandet bin, und etwas den Überblick verloren habe. Also wandte ich mich vertrauensvoll an einen ausgewiesenen Experten, den Politologen Hubert Sickinger, der ein ausgezeichnetes Buch zum Thema (Politikfinanzierung in Österreich, Czerninverlag 2009) publiziert hat.

Äpfel und Birnen ergeben gemischt ein wohlschmeckendes Kompott

Nach dem Gespräch mit Sickinger steht fest, dass es sich bei Politikfinanzierung und der sogenannten Freunderlwirtschaft um zwei getrennt voneinander zu betrachtende Problemfelder handelt. Eine transparente Offenlegung von ersterem würde dazu beitragen, die Finanzierungsströme der österreichischen Parteien und ihrer Vorfeldorganisationen endlich klarzustellen. Insbesondere die völlig undurchsichtige Praktik der Parteispenden ist längst Thema für eine wirklich notwendige Transparenzdatenbank.

Auf dieser Ebene tut sich aber wenig. Die Zügel halten hierbei die Parteien in der Hand und nachdem man sich dort seit Jahren weigert mehr von dem offen zu legen, was von x zu y fließt, kann man bloß spekulieren, wer wem wann möglicherweise einen Gefallen schulden könnte.

Letzteres, also die leidige Freunderlwirtschaft, einzuschränken, lässt sich nur durch die verweigerte Wiederwahl des Betreffenden „freundlich verbundenen Amtsträgers“ bzw. von dessen Partei verhindern. Strafrechtlich ist es, wie die österreichische Geschichte zeigt, so gut wie unmöglich jemandem Amtsmissbrauch nachzuweisen.

Dass also hierzulande nach wie vor effizient Nepotismus betrieben wird mag zweierlei Gründe haben. Entweder die Wählerin hat resigniert – Stichwort: mangelnde Auswahl an wählbaren Kandidaten auch bekannt als „Pest vs. Cholera Syndrom“, oder aber es hat sich durch die jahrzehntelange Praxis so etwas wie ein Gewohnheitsrecht des Postenschacher etabliert.

Darauf, dass möglicherweise letzteres zutrifft, dass man also Vetternwirtschaft eher als Kavaliersdelikt betrachtet, würde man schließlich auch aufgrund der Begriffswahl schließen. Schließlich hat jeder irgendwo ein Freunderl? Ich kann mich aber natürlich auch irren.

Susanne, 21. Juli 2010

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