Wer viel leistet, verdient auch dementsprechend viel. Und deshalb macht es wenig Sinn, höhere Einkommen mit mehr Steuern zu belasten. Sagen ÖVP, Wirtschaftskammer oder Industriellenvereinigung. Werden hier lediglich Partikularinteressen vertreten oder ist doch was dran, an dieser Leistungsträgertheorie? Hinterlistige Klientel- oder kluge Wirtschaftspolitik? Wir gehen der Sache nach.

Ende 2005 hat der deutsche Focus einen großen Gehalts-Report veröffentlicht. Ein Kellner verdient demnach weniger als ein Florist. Die Geldbörse eines Tischlers oder Fleischers ist Ende des Monats nochmal um einiges fetter. Die Verdienstkurve steigt im Bereich von Architekten, Richtern oder Ärzten weiter an. In einen astronomischen Bereich hingegen kommt man, wenn man es zum Spitzensportler schafft. Und auch in den Chefetagen von Großunternehmen lebt es sich nicht schlecht.

Wer bestimmt eigentlich den Verdienst? Na der Markt. Aber ist der Markt auch gerecht? Sprich regelt der Mechanismus aus Angebot und Nachfrage die Löhne und Gehälter ihrer Leistung entsprechend?

Wovon Einkommen abhängt

Bevor ich dieser Frage nachgehe, möchte ich mir grundsätzlich nachvollziehbare Parameter zur Ausgestaltung der Verdiensthöhe auflisten:

  • Verantwortung
  • Ausbildung
  • Arbeitszeit
  • Tatsächliche Leistung

Prinzipiell kann man sagen, dass der Markt im Bereich kleinerer bis mittlerer Einkommen durchwegs nachvollziehbar entlohnt. Natürlich gibt es Sparten wie die Pflege, in denen die Schere zwischen Leistung und Verdienst auseinandergeht, aber das bewegt sich alles in einem Rahmen.

Working poor

Laut Sozialistischer Jugend sind trotzdem alleine in Österreich eine Viertel Million Menschen vom aus den USA bekannten Phänomen „working poor“ betroffen. Darunter versteht man Erwerbstätige, die trotz regelmäßigem Einkommen unter die Armutsgrenze fallen.

Die Gründe für dieses Phänomen sind breit gestreut. Oft unfreiwillige Teilzeitarbeit, der Haushaltskontext (1 Einkommen muss mehrere Familienmitglieder versorgen) aber auch generell niedrige Einkommen dürfen sich hierfür verantwortlich zeigen.

Einkommen zum Auskommen

Mindestlöhne sind eine effektive Methode zur Bekämpfung dieses Phänomens, auch wenn damit Flexibilitätseinbußen verbunden sind. Auch eine Grundsicherung in Form einer negativen Einkommenssteuer könnte einen praktikablen Lösungsweg darstellen.

Was auf jeden Fall gewährleistet sein muss, ist das Auskommen mit Ausübung eines Vollzeitjobs. Alles andere wäre im 21. Jahrhundert schlicht und einfach eine Schande. Und ja, der Titel dieses Absatzes ist von Herbert Kickl gestohlen (grins).

Von CEOs und Scheren

Quelle: epi.org

Dieses Bild zeigt die Entwicklung der „CEO-to-worker-pay-ratio“ in den USA. Also das Verhältnis des Einkommens von CEOs, sprich Geschäftsführern großer Unternehmen, zu dem eines Durchschnittsarbeiters desselben Unternehmens. Wer eine nähere Erläuterung lesen möchte, der kann das hier tun (auf Englisch).

Und hier findet sich die Ergänzung zu meiner vorher erwähnten Feststellung, dass der Markt im Bereich kleiner bis mittlerer Einkommen durchwegs nachvollziehbar entlohnt. Im Gebiet der Spitzengehälter tut er das nämlich definitiv nicht mehr. Natürlich ist der Geschäftsführer eines Global Players besser ausgebildet als der Durchschnittsarbeiter des gleichen Unternehmens. Natürlich trägt er mehr Verantwortung und kommt vermutlich auch auf deutlich mehr Arbeitsstunden. Die Relation ist aber trotzdem nicht mehr ausreichend gegeben.

Kontinentale Unterschiede

In Deutschland zum Beispiel ist diese Entwicklung noch nicht so weit vorangeschritten. Laut FAZ verdient der Vorstandsvorsitzende eines Dax-Konzerns im Durchschnitt 80-mal so viel wie sein Angestellter. Aber auch das lässt sich wohl nur mehr schwer nachvollziehen. Und diese Einschätzung gründet nicht auf subjektiver Ebene, sprich Sympathisierung mit dem sogenannten Proletariat, sondern auf gesundem Menschenverstand.

Grund für diese Auswüchse, so wird auch von Unternehmen argumentiert, ist, dass man ansonsten einfach nicht die Spitzenleute an Bord ziehen könnte. Der kleine Arbeiter versteht es trotzdem nicht. Und recht hat er. Denn diese Divergenz ist alles andere als gerecht.

Angewandte Gerechtigkeit

Meiner Meinung nach sollte der Staat trotzdem nicht regelnd einschreiten, weil er hier einfach auf Grenzen stößt. Dieser Prozess muss von den Erwerbstätigen bzw. ihrer Vertretern wie der Gewerkschaft ausgehen. Die von Attac angekündigte Demokratische Bank zum Beispiel lebt interne Unternehmensgerechtigkeit vor. Dort soll die maximale Lohnspreizung bei 1:5 liegen.

Der Staat stößt hier meines Erachtens deshalb auf Grenzen, weil die Auslegung von Wirtschaftszweig zu Wirtschaftszweig, von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein müsste. Eine Obergrenze, zum Beispiel 1:30 könnte er aber durchaus vorgeben. Will sich der Vorstand für ein erfolgreiches Jahr belohnen? Kein Problem, wenn er das innerhalb des Verhältnisses macht bzw. seine Beschäftigten mitnimmt.

Globale Koordination

Um zum Schluss zur Einleitung zurückzukommen. Was ist an der Leistungsträgertheorie dran? Bis zu einem gewissen Einkommen sehr viel. Wenn es in größere, teils exorbitante Höhen geht, aber nichts mehr. Deshalb darf man sehr viel höhere Einkommen auch sehr viel höher besteuern. Eine maximale Lohnspreizung, wie von Attac vorgeschlagen und auch praktiziert, könnte dem natürlich vorbeugen. Beides müsste aber zumindest EU-weit, wenn nicht global, koordiniert werden. Was die Umsetzung aber leider nicht gerade realistischer macht.

It’s the benefit, stupid

Ein Aspekt, der vor allem bei Besteuerungsdebatten nicht außer Acht gelassen werden darf, ist der, dass sich der Verdienst nach Nutzen richtet, nicht nach Leistung. Nutzen lohnt sich. Leistung lohnt sich nur bedingt. Monetär lohnt sich Leistung sogar sehr oft nicht (Kindererziehung, Haushalt, innerfamiliäre Kranken- oder Altenpflege, viele ehrenamtliche Tätigkeiten..)

Dabei ist es keineswegs verachtenswert, dass der Verdienst eines Arbeiters oder Angestellten mit seinem Nutzen fällt oder steigt. Es ist unternehmerisch sogar die einzig vernünftige Möglichkeit, Mitarbeiter zu entlohnen. Das Faktum, dass Güter oder Dienstleistungen nur Nutzen stiften, wenn sie am Markt nachgefragt werden, bleibt unwiderlegbar. Zumindest wenn der Unternehmer seinen Betrieb länger als 2 Wochen aufrecht erhalten möchte.

Nutzen lohnt sich

Ich halte fest (ein bisschen Redundanz schadet auch in Blogs nicht): Nutzen lohnt sich. Und das ist nicht verwerflich, sondern schlicht und einfach wirtschaftlich nachvollziehbar und schlüssig. Was dagegen sehr wohl verwerflich ist, ist die Tatsache, dass bestimmte Politiker den Begriff Leistung missbrauchen.

„Leistung muss sich lohnen.“

„Leistungsträger dürfen nicht einer noch größeren Steuerlast ausgesetzt werden.“

Immerhin erhalten in Österreich 2,7 Millionen Steuerzahler genauso viele, die keine zahlen (Achtung: Einkommenssteuer).

Die Leistungslüge

Daraus schließt ein aufmerksamer Leser/Hörer/Seher. Aha. Die Leistungsträger sind also die Steuerzahler. Die, die keine Steuern zahlen, erbringen also keine Leistung. Das ist natürlich vollkommener Schwachsinn. Klar muss sich ein Staat aus Steuern finanzieren. Und die müssen auch irgendwo herkommen.

Deshalb ist der Steuerzahler durchaus für das Staatsbudget ein Leistungsträger. Der Missbrauch dieses Begriffs geht mir aber sowohl in der österreichischen als auch in der deutschen Politik zu weit. Dass der hauptsächlich von ÖVP und FDP ausgeht, sollte politischen Menschen bereits aufgefallen sein.

Der Zusammenhang von Verdienst und Leistung

Die beiden angeschnittenen Themenkomplexe, also die Verdienst- wie auch die Leistungsdebatte hängen dabei sehr eng miteinander zusammen. Wenn Spitzeneinkommen belastet werden sollen, dann sollte man sich immer vor Augen halten, dass der Verdienst sehr hoher Einkommen oft nicht mehr gerecht ist. Dass sich dadurch kein Milliardenloch im Budget stopfen lässt ist logisch, aber das Argument des notwendigen Schutzes vermeintlicher Leistungsträger fällt weg.

Daraus kann man aber nicht schließen, dass ich für eine Anhebung des Spitzensteuersatzes bin, sondern für die Einführung einer neuen, noch höheren Stufe, die nur sehr, sehr große, bereits ungerechte Verdienste betrifft. Wenn die Einführung einer maximalen Lohnspreizung das obsolet machen würde, wäre mir das natürlich noch lieber. Dazugesagt sei: Die Einführung wäre nur global denkbar und ist deshalb mittelfristig nicht durchsetzbar. Was aber nichts an der Richtigkeit solcher Maßnahmen ändert.

Dieser Artikel wird gleichzeitig auf zuwi.at veröffentlicht.

PS: Wenn ich schon bei visionären, nicht kurzfristig weil nur global durchsetzbaren Ansätzen bin: Steuern auf Kapital sollten denen auf Arbeit zumindest gleichgesetzt werden, worauf bei der Einkommenssteuer ein Spielraum entstehen würde. Das würde Arbeit entlasten und endlich Schluss mit der dummen (relativen) Subventionierung von Kapitalerträgen machen. Geld arbeitet nämlich nicht. Oho!

PS2: Hungert endlich Steueroasen aus!

Bild “Geldboerse”: © Ernst Rose / PIXELIO
Bild “Gerechtigkeit”: © Thorben Wengert/ PIXELIO

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