Bisher sind zwar erst etwa 1100 der über 250.000 US-Depeschen aus der Wikileaks-Veröffentlichung Cablegate an die Öffentlichkeit gelangt. Dennoch ist es Zeit einige Dokumente hervorzuheben, die von Bedeutung sind. Auch gerade deshalb, weil der Vorwurf des belanglosen Geschwätzes immer häufiger zu hören ist.

Die Top 10 der bisher veröffentlichten Cables:

10. USA intervenierten in Russland für MasterCard und VISA

    Eine vielleicht nicht weltbewegende, aber besonders schöne Enthüllung, weil die Kreditkartenfirmen Wikileaks das Konto gesperrt haben: Die Vereinigten Staaten haben ihr politisches Gewicht genutzt um MasterCard und VISA vor ungünstiger Gesetzgebung in Russland zu schützen. (Depesche) Unterdessen ist ja auch nicht ganz uninteressant zu wissen, was die Veröffentlichung der Cables für Reaktionen auslöst: PayPal gab zu, dass die USA Druck ausgeübt haben, Spenden an Wikileaks zu unterbinden.

9. US-Verantwortliche finden, dass die österreichische Regierung sich nicht für Außenpolitik interessiert, der Botschafter spricht über den Iran und österreichische Banken stand im Fokus von Terrorermittlungen

    Allein die Dokumente mit Österreich-Bezug haben es in sich, zeigen sie doch wie die heimische Politkaste von der Weltmacht gesehen wird. Dass der Außenminister im Ausland als verlängerter Arm für OMV und Raiffeisen wahrgenommen wird und der Kanzler sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger auch im Ausland kein Renomee erwirbt, ist mehr als nur anekdotischer Tratsch. Es ist eine profunde Analyse des Zustands unserer politischen Führung (Depesche, SPIEGEL-Bericht nicht online). Diese Depesche sollte man gelesen haben, weil einerseits interessant zu wissen ist, was so alles in den Tätigkeitsbereich österreichischer Diplomaten fällt, und andererseits die Iran-Analyse des Botschafters äußerst gut zu lesen ist. Und dass Raiffeisen und die BA-CA von der Finanzmarktaufsicht unbemerkte Geldflüsse mit Iran-, Nordkorea- und Weißrussland-Verbindungen hatte, schadet auch nicht zu wissen (Depesche 1, Depesche 2).

8. Der Iran versteckt laut Ansicht von UN-Inspektoren Reaktorpläne

    IAEO-Inspektoren berichteten US-Vertretern in Wien, dass der Iran nur unbefrieidgend Auskunft über sein Atomprogramm und den Verdacht der militärischen Nutzung gab. Informationen seien zurückgehalten worden, Erklärungen dürftig gewesen, und die Kooperationsbereischaft gering, so der Bericht von vor einem Jahr. (Depesche) Das zeigt, dass derart lautende Vorwürfe nicht nur öffentliche Propaganda der USA sind, sondern tatsächlich entsprechende Informationen an die Vereinigten Staaten herangetragen werden.

7. USA versagen beim Versuch, Waffenhandel zu unterbinden

    Im Nahen Ostern intervenierte die USA erfolglos gegen diverse Deals im Nahen und Mittleren Osten. Die Depeschen berichten von Scharfschützengewehre für Yemen, syrischen Waffen für die Hisbollah, chinesische Raketen für Pakistan und Waffen aus dem Iran für die Hamas. Die New York Times hat nähere Berichterstattung inklusive Links zu einzelnen Depeschen.

6. Der Lockerbie-Bomber kam wegen lybischer Handelsdrohungen frei

    Wäre der Mann hinter dem Lockerbie-Terroranschlag nach seiner Prostatakrebsdiagnose im schottischen Gefängnis gestorben, drohte sein Heimatland Libyen sämtliche Handelsbeziehungen zum Vereinigten Königreich zu stoppen (Depesche). Abdelbaset Al-Megrahi kam nach diesen Drohungen des libyschen Staatschefs Gaddafi „aus Mitleidsgründen“ frei (das britische Gesetz kennt anscheinend einen Passus, todkranke Häftlinge kurz vor ihrem Tod freilassen zu können). Die im August 2009 prognostizierten drei Monate zu leben überdauert Al-Megrahi bis heute in Freiheit. Gaddafi ist übrigens der, der radioaktives Material recht unbewacht rumliegen lässt, wenn man ihm keinen Zeltplatz in New York gibt (Depesche).

5. US-Einschätzung: Al-Jazeera ist Teil der Außenpolitik von Katar

    Al-Jazeera besteht trotz massiver Finanzzuschüsse von Katar (wo der Sender auch angesiedelt ist) darauf, ein unabhängiger Sender zu sein. Allein wer Al-Jazeera finanziert ist wahrscheinlich noch kein Alltagswissen. Die Einschätzung von US-Diplomaten, dass Quatar die Berichterstattung des wichtigen Senders als Teil der Außenpolitik begreift, ist darüber hinaus aber Sprengstoff für das arabische CNN. Katar habe den Sender als Verhandlungsmasse verwendet: Würde Ägypten einer permanente Ansiedlung von Palästinensern zustimmen, würde die Übertragung dort ein Jahr ausgesetzt. Tatsächlich beschweren sich zum Beispiel ägyptische Politiker immer wieder über die Berichterstattung des Senders. Ägypten und Katar kommen salopp gesagt nicht besonders gut miteinander aus. (Depesche) Manch Ex-Journalist für den Sender widerspricht der Behauptung übrigens, Katar würde Einfluss nehmen.

4. Wie sich die Sicht auf Hamid Karzai änderte

    Als Hamid Karzai das Amt des afghanischen Präsidenten übernahm galt er als vertrauenswürdiger Verbündeter für den Westen und andere Verbündete. Offiziellen Statements nach scheint sich daran nicht viel geändert zu haben, doch wie die Depeschen zeigen, hat sich dieses Bild gewandelt. Der Präsident würde seine Alliierten oft vor den Kopf stoßen und den USA misstrauen (Depesche) – sei außerdem vom Führer seines Landes zum umstrittenen Politiker geworden. Für den Südasien-Verantwortlichen der US-Geheimdienste stellt Karzai sogar die Zersetzung Afghanistans in Stämme dar (Depesche).

3. Von welchen Dingen im Ausland sind die USA sehr abhängig?

    Es wurde in den Medien als Liste „potentieller Terrorziele“ verkauft, tatsächlich könnte es in Zukunft aber auch die politischen Analysen amerikanischer Interessenspolitik wesentlich erleichtern. In dieser Depesche findet sich tatsächlich eine Aufzählung der „2008 Critical Foreign Dependencies Initiative“. Sollten die dort genannten Objekte und Ressourcen aus irgendwelchen Gründen ausfallen, würde das die USA auf irgendeine Weise empfindlich treffen. Man erfährt, dass die Pharmaindustrie in Europa anscheinend sehr wichtig für die Staaten ist – auch zwei Firmen in Wien werden aufgeführt – oder dass Trinidad & Tobago 70% des Erdgas-Importe der USA liefert. Eine etwas übersichtlichere Gliederung findet sich mittlerweile auch in der Wikipedia.

2. Länder im Nahen/Mittleren Osten drängen die USA, dem Iran die Bomben wegzubomben

    Saudi Arabien, Jordanien, Bahrain und natürlich Israel versuchten wiederholt hinter den Kulissen die USA zu einem Angriff auf den Iran zu bewegen (Depesche), um das dortige Nuklearprogramm zu stoppen. Eine andere große Sorge der Saudis ist, dass der Iran zu viel Einfluss im Irak bekommt. Und wie der Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate Hillary Clinton erzählte, ha Saudi Arabien Angst, dass sich ein schiitisches Bündnisdreieck zwischen Iran, dem Irak unter der Regierung Maliki und Pakistan unter Präsident Zardari bilden könnte. (Depesche) Der israelische Mossad ging 2005 zudem davon aus, dass die USA (unter Bush) und Israel in Bezug auf den Iran einer Meinung seien (Depesche), und die EU-Dialogversuche mit dem Iran irgendwann scheitern würden.

1. US-Diplomaten spionieren UNO aus

    Die USA haben ihre Diplomaten rund um die Welt und in UN-Hauptquartieren dazu aufgefordert, geheime Daten über UN-Spitzenfunktionäre (inklusive Generalsekretär Ban Ki-moon) und deren Mitarbeiter zu sammeln. Biometrische Daten, Standpunkte zu einer Reihe kritischer Fragen, Passwörter, Kommunikationssysteme und mehr sollten in einer Vermengung von Spionage und Diplomatie zusammengetragen werden. Die Depesche wurde heiklerweise mit dem Namen von Hillary Clinton selbst gezeichnet. Es gibt ganze UN-Konventionen, die ein solches Verhalten gegenüber dem UN-Generalsekretär und UN-Einrichtungen explizit für illegal erklären.
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