Die aus #unibrennt hervorgegangene Studierendenzeitung über.morgen (für die ich während der Besetzung ein paar Artikel geschrieben habe) veröffentlichte in ihrer neuesten Ausgabe einen Kommentar über eine Frauen-Lesben-Mädchen-Demo am Frauentag. Der Autor des Textes beschwerte sich dabei über den aggressiven Umgang mit Männern im Rahmen der Demonstration. Sexistisch befand die Studienvertretung (STV) des Politikwissenschafts-Instituts (Uni Wien) diese Kritik in einem Plenum. Sie stoppte die Unterstützung der über.morgen – konkret das Lagern der Auflage in den STV-Räumlichkeiten. Die Redaktion der über.morgen (zu der – um das nicht zu verschweigen – auch ein zurPolitik.com-Autor gehört) wirft der STV deshalb versuchte Einflussnahme auf ihre Inhalte vor.
„Bei einem Treffen forderte diese uns auf, die betroffene Ausgabe wegzubringen. Gleichzeitig wurde eine Wiederaufnahme der ‚Unterstützung‘ in Aussicht gestellt, falls wir eine Gegendarstellung drucken und unsere ‚Policy‘ ändern.“, heißt es im Statement der Redaktion. Die Studienvertretung bestätigte den Vorfall. Die Lagerung der Auflage würde gestoppt werden, allerdings könne die Zeitung weiterhin im sogenannten Kommunikations-Zentrum zum Lesen aufliegen. Man wies außerdem zurück, Exemplare wegzuschmeißen und würde auch „nicht nur Projekte unterstützen, mit denen wir inhaltlich übereinstimmen“. Jedoch gelte, dass Projekte ihrem Selbstverständnis „nicht zuwiderlaufen“ dürfen, was hier geschehen sei.
Sollte die über.morgen in der kommenden Ausgabe „nachvollziehbar machen“, dass dies nicht ihre Intention war, stehe der Lagerung künftiger Ausgaben nichts im Weg: „Es geht uns nicht um Einflussnahme auf die Blattlinie, sondern darum, dass wir gewisse Mindeststandards für Kooperationen setzen“. Entscheiden würde über die Fortsetzung der Kooperation abermals ein Plenum, an dem alle interessierten Studierenden teilnehmen könnten („Bei besagtem Plenum waren auch nur zwei ‚Gewählte‘ da.“).
Kommentar: Eine Einflussnahme, die nicht legitimiert ist
Ob bewusst oder unbewusst: Es lässt sich nicht abstreiten, dass die STV mit ihrer Reaktion auf einen einzelnen Artikel, Druck auf die Redaktion der über.morgen ausübt. Alle Kennzeichen einer versuchten Einflussnahme – Sanktionen für politischen Widerspruch und das Zuckerl bei künftigem Wohlverhalten – sind vorhanden. Als solche muss ein Journalist sie verurteilen. Insbesondere von studierenden PolitikwissenschaftlerInnen muss man mehr Sensibilität im Umgang mit grundlegenden demokratischen Prinzipien erwarten. Als Wähler der derzeit amtierenden STV bei den vergangenen Wahlen erwarte ich das jedenfalls.
Der Vorfall gewinnt an Bedeutung, weil der Anlass nicht als grober Verstoß gegen STV-Prinzipien interpretiert werden kann. Die im „üm“-Kommentar geäußerte Kritik halte ich weder für frauenfeindlich noch für unsolidarisch. Die beschriebenen Szenen sind inakzeptabel, Aggressionen gegen Männer nicht weniger sexistisch als die Aggressionen gegen Frauen. Das auszusprechen, muss selbst dogmatischsten FeministInnen zumutbar sein. Doch dies soll hier nicht das zentrale Thema sein. Manche mögen das anders einschätzen – dagegen habe ich prinzipiell nichts (abgesehen von Unverständnis).
Jedenfalls halte ich es nicht für legitim, auf Basis dieser Differenz über Unterstützung oder Nichtunterstützung eines Mediums durch die Instituts-STV zu entscheiden. Die deutliche Mehrheit der Politikwissenschafts-Studierenden unseres Instituts dürften eine antisexistische Grundhaltung teilen, mit dieser Einschätzung des Plenums aber keinesfalls übereinstimmen, dass diese wäre hier verletzt wurde. Diese angenommene Tatsache entscheidet nicht darüber, welche Version wahr und welche falsch ist, wohl aber darüber, welche legitimiert ist und welche nicht.
Über die Offenheit der Sitzungen lässt sich nicht kaschieren, dass natürlich nur kleine Interessensgruppen auch tatsächlich in einer STV aktiv sind. Gerade in Zeiten des großen ökonomischen Zeitdrucks auf Studierende, muss eine Vertretung dem Rechnung tragen. Einzelne Personen wurden von einer breiten Basis des Instituts ins Amt gewählt. Sie müssen dementsprechend auch diese breite Basis repräsentieren – nicht nur kleine Cliquen, die in ihrer Freizeit Plenarsitzungen mit äußerst beschränkter Bedeutung für besuchenswert halten (was dieses engagierte Verhalten nicht prinzipiell abwerten soll).
Das zugrundeliegende Problem für die über.morgen ist, von Hilfe der ÖH – und damit von politischen Gruppierungen – abhängig zu sein. Auch wenn ich von der Studierendenvertretung eine Rücknahme der Sanktionen fordere (und das in meiner persönlichen Wahlentscheidung bei den kommenden ÖH-Wahl berücksichtigen werde, so limitiert die Alternativen auch sind), ist der Redaktion zu raten, auf Sicht Alternativen zu diesem Modell anzustreben.