Erst haben wir gelacht. Dann waren wir verwirrt, ob der inkonsistenten Rechtfertigungen der österreichischen Polizei. Dann begann die Kritik. Niko Alms Führerschein-Aktion sei ein Angriff auf das „Menschenrecht auf freie Religionsausübung“ und „beleidigte-Leberwurst-Getue“. Es zeigt sich, was die Leistung der Aktion sein könnte: eine Diskussion anzustoßen, vielleicht lässt sich mit dem Sommerloch mal etwas Vernünftiges anstellen.

Das Foto auf dem Führerschein ist nur ein kleines Beispiel, es steht stellvertretend für ein größeres Problem. Stört es mich, keinen Hut auf meinem Führerschein tragen zu dürfen? Eigentlich nicht (Tom Schaffer sieht das vielleicht anders).  Es stört mich nicht einmal besonders, dass eine religiös begründete Kopfbedeckung getragen werden darf, dass also ein Kopftuch, eine Kippa oder ein Turban nur dann erlaubt ist, wenn Gott es vorschreibt und nicht Karl Lagerfeld. Das mag eine Einschränkung der Gleichbehandlung vor dem Gesetz sein, kümmert mich aber wenig. Ist ja nur das Foto auf dem Führerschein. Was ist also das größere Problem, auf das die Nudelsiebaktion eigentlich abzielt?

Ungleichbehandlung von Weltanschauungen

Die Ungleichbehandlung vor dem Gesetz beschränkt sich in Österreich leider nicht auf das Führerscheinfoto. Auch in anderen, wichtigeren, Aspekten wird anerkannten Religionsgemeinschaften eine Sonderstellung zugebilligt. In Aspekten, die mich weit mehr stören. Die Wurzel dieses Problem ist das Konkordat. Dieser Vertrag Österreichs mit dem Heiligen Stuhl sichert z.B. das Recht auf katholischen Religionsunterricht, mit von der Kirche bestelltem Lehrpersonal und von der Kirche ausgearbeiteten Lehrplänen, zu. Durch die Gleichstellung aller anerkannten Religionsgemeinschaften vor dem Gesetz steht dieses Recht außerdem auch allen anderen anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften zu. Wer hingegen keiner anerkannten Religionsgemeinschaft angehört, schaut durch die Finger.

Das Prinzip ist das Gleiche. Doch, anders als beim Führerscheinfoto, stört es mich sehr wohl, dass nur eine religiös begründete Weltanschauung in der Schule gelehrt werden darf, dass also weltanschaulicher Unterricht nur dann erlaubt ist, wenn er auf Glauben an einen Gott basiert und nicht auf dem Eingeständnis von Unwissenheit (Agnostizismus) oder dem Nicht-Glauben an Gott (Atheismus).

Werner Reisinger schreibt in seiner Kritik von der „atheistischen Religion“. Das mag eine beliebte Kritik am Atheismus sein, besonders auch von Agnostikern (zu denen ich mich selbst zähle), doch gibt es gute Gründe sie abzulehnen. In Österreich wären AtheistInnen allerdings gut beraten sich diesen Vorwurf zu eigen zu machen und würden dabei vermutlich auf wütenden Widerstand der katholischen Würdenträger stoßen, hätten sie als anerkannte Religionsgemeinschaft doch das Recht auf einen eigenen „Religionsunterricht“.

Diskriminierung der Ungläubigen

Hier liegt also das Problem, auf das die Führerscheinaktion aufmerksam machten sollte. Sie ist kein Angriff auf religiöse Minderheitenrechte, sondern ein Scheinwerfer auf die Sonderstellung bestimmter Weltanschauungen in diesem Land. Und auf das absurde Prinzip, nachdem nur religiöse Weltanschauungen vom österreichischen Staat unterstützt werden.

Die Führerscheinaktion hat vielleicht nicht den „politisch-korrektesten“ Angriffspunkt gewählt. Richtet sich die betroffene Regelung doch nicht gegen den dominanten Katholizismus, sondern vor allem an den sowieso viel gescholtenen Islam. Vermutlich erklärt sich dadurch auch der ausgebliebene Aufschrei der religiösen Mehrheitsgesellschaft (die Mehrheit der religiösen Gesellschaft, nicht der Gesamtgesellschaft). Doch rechtlich wird der Islam in diesem Land nicht diskriminiert. Rechtlich werden AtheistInnen und AgnostikerInnen diskriminiert. Stärker als Baptisten, Hinduisten, Anhänger diverser Freikirchen und der Bahá’i-Religionsgemeinschaft, die allesamt zumindest anerkannte Bekenntnisgemeinschaften sind und damit zumindest das Potential haben zu staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften, mit allen damit verbundenen Rechten, zu werden. Ihr größtes Hindernis ist dabei wohl die nötige Gläubigenzahl (Zwei von Tausend der österreichischen Bevölkerung).

Es ist legitim zu kritisieren, dass diese Aktion von vielen als Angriff auf religiöse Minderheitenrechte aufgefasst werden kann (und wird). Es ist wichtig auf dieses Problem hinzuweisen. Noch wichtiger ist es allerdings die wirklichen Probleme zu diskutieren, auf die die Aktion aufmerksam macht. Vielleicht kapieren es auch die großen Medien dann irgendwann.

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