Für die einen Allheilmittel zur Bewältigung der Eurokrise, für die anderen der Anfang vom Ende der Union: Eurobonds. Wir gehen der Sache nach – was steckt wirklich hinter den gemeinsamen Anleihen der Länder der Eurozone? Welche Vorteile und Nachteile würden sie mit sich bringen und könnten sie ein Teil der oder vielleicht sogar DIE Lösung für die Eurokrise sein?

Was sind Eurobonds?

Derzeit finanzieren die Länder der Eurozone ihr Defizit individuell über Staatsanleihen. Das heißt, jedes Land gibt in unregelmäßigen Abständen für eine bestimmte Zeit Anleihen aus.  Die Käufer dieser Anleihen leihen dem Staat dann für einen gewissen Zinssatz Geld (je höher die Wahrscheinlichkeit eingeschätzt wird, dass der Staat das Geld nicht zurückzahlt, desto höher ist dieser Zinssatz). Mit Eurobonds (bonds = Englisch für Anleihe) würden der Euroraum (derzeit 17 Länder) gemeinsam Anleihen begeben. Das heißt, Käufer dieser Anleihen schulden nicht mehr Deutschland oder Österreich Geld, sondern eine Gruppe an Staaten. Das hat die Konsequenz, dass Deutschland im Falle der Zahlungsunfähigkeit Österreichs für einen Teil der österreichischen Schulden aufkommen müsste.

Wozu Eurobonds?

  1. Eurobonds würden einzelne Länder von der direkten Abhängigkeit der Märkte schützen. Vor allem in unsicheren Zeiten kann eine Mischung aus Panik & Herdentrieb die Zinsen für Staaten dermaßen in die Höhe treiben, dass sich deren Refinanzierung (kaum ein Land bezahlt seine Schulden aus eigener Kraft zurück, es werden alten Schulden mit neuen Schulden beglichen) so verteuert, dass das betroffene Land an den Rand der Zahlungsfähigkeit getrieben werden kann. Mit Eurobonds haben die Anleihenzeichner (so nennt man die Käufer der Anleihen) ein viel geringeres Risiko, weil hinter den Euroanleihen die Finanzkraft gleich 17 Länder steht.
  2. Der Markt für Eurobonds würde ein unglaublich großer werden. Die USA stellt mit einem BIP von 14,5 Billionen $ mit seinen Anleihen die liquideste Anlage weltweit dar (ein Markt ist dann liquide, wenn man etwas schnell kaufen bzw. wieder verkaufen kann). Die Eurozone käme mit ihrer Wirtschaftsleistung von knapp 11 Billionen $ in die Nähe der Amerikaner und könnte sich im Weltfinanzsystem einen prominenten Platz sichern, was die Zinsen deutlich drücken kann (wenn jeder Euroanleihen möchte, dann kann man die auch teurer = zu geringeren Zinsen verkaufen). Auch in punkto Volumen der Papiere käme man den Branchengrößen nahe: Japan 7.900 Mrd. €, USA 6.600 Mrd. €, Eurozone 5.500 Mrd € (Quelle: FTD).

Was spricht gegen Eurobonds?

  1. Setzt die Politik eines Landes seiner Wirtschaft schlechte Rahmenbedingungen oder hält keine Haushaltsdisziplin ein (gibt also viel mehr aus als es einnimmt), dann bestrafen das die Märkte mit höheren Zinsen. Eurobonds würden dieses Regulativ großteils zerstören und eine solidarische Haftung mit fatalen Anreizen festsetzen.
  2. Die Finanzierung einzelner Länder mit guter Bonität könnte sich erheblich verteuern. Dies würde eine Umverteilung von finanziell stabilen Ländern wie Deutschland oder Österreich zu instabileren wie Griechenland oder Portugal bedeuten. Hans-Werner Sinn vom Ifo-Institut hat die Mehrkosten für die deutschen Nachbarn sogar auf 47 Milliarden €  pro Jahr geschätzt. Die Zahl wurde daraufhin aber von vielen Volkswirten und -journalisten relativiert bzw. als völliger Blödsinn enttarnt.

Fazit

Die Pro-Argumente 1. und 2. sind meiner Meinung nach durchaus starke. Das Contra-Argument 1, das Schaffen falscher Anreize, könnte man durch strikte Regeln inklusive Sanktionen (die dann auch wirklich zur Anwendung kommen) aus der Welt schaffen. Verschuldet sich ein Land zum Beispiel in einem Ausmaß von über 90% des BIPs, dann muss es sofortige Reformen in Absprache mit EU-Institutionen verabschieden, die diese auch absegnen müssten (also ein Veto-Recht haben). Der Grünen-Politiker und Wirtschaftsprofessor Alexander Van der Bellen meint dazu:

[D]ie jüngsten Erfahrungen mit Griechenland, Portugal etc. zeigen, dass ein Staat de facto wirtschafts- und finanzpolitisch entmündigt wird, wenn er in eine ernsthafte Liquiditäts- oder Solvenzkrise gerät. Keine Regierung wird dieses Risiko mit Absicht eingehen. Selbst Berlusconi hat das verstanden und in letzter Minute den Budgetplan seines Finanzministers Tremonti unterstützt. Zum ganzen Artikel

Um durch Eurobonds nicht das hemmungslose Schuldenmachen zu subventionieren, bietet sich auch ein in den Medien oft diskutierer Vorschlag zur Ausgestaltung der Anleihen an. So könnten etwa bis zur Maastricht-Grenze von 60% des BIPs sogenannte „blue bonds“ ausgegeben werden. Diese würden dann im Falle der Zahlungsunfähigkeit eines Landes bevorzugt bedient werden. Die „red bonds“, die ab den 60% aufgenommen werden könnten, würden also wesentlich teurer werden (das offizielle Modell sieht die „red bonds“ wieder als nationale, individuell emitierte Anleihe vor). Das hätte natürlich zur Konsequenz, dass die Einführung von Eurobonds derzeit keine merklich günstigeren Refinanzierungsbedingungen für angeschlagene Staaten schaffen würde. Als Lösung zur jetzigen Schuldenkrise eignen sich Eurobonds aber sowieso nicht, weil eine Einführung nicht von heute auf morgen vonstatten gehen könnte. Die Alternative zu Eurobonds kann derzeit nur solide Haushaltspolitik darstellen, die ich persönlich auch gerne durch befristet eingeführte neue Steuern ergänzt sehen würde.

Also?

Meines Erachtens sind Eurobonds langfristig erstrebenswert (größere Unabhängigkeit von Marktwillkür, Gewinn an globaler Bedeutung und in Summe wohl geringere Kosten), kurzfristig aber keine Lösung für die wirklichen Ursachen der Eurokrise: wirtschaftliche Ungleichgewichte, die aus unerledigten Hausaufgaben mancher Länder resultieren und das Fehlen nachhaltiger Budgetpolitik.

Dieser Artikel wird parallel auf zuwi.at veröffentlicht.

Bild  © Dr. Klaus-Uwe Gerhardt / PIXELIO
Bild „Puzzle“  © Wilhelmine Wulff / PIXELIO

 

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