Griechenland will demnächst Strom aus geplanten Solarkraftanlagen exportieren, ohne dafür eine passende Leitung ins Ausland zu haben. Was sich am ersten Blick wie eine technische Sensation anhört, ist in Wahrheit natürlich ein Bilanztrick – der Griechenland aber Geld bringen kann. In Foren sorgt das Projekt „Helios“ für Verwirrung und Hohn. „Virtuelle“ Exporte klingen skurril? Sie können allerdings in Ordnung sein.

Im Rahmen von Klimazielen haben Länder die Aufgabe, mehr Strom aus CO2-armen (und damit auch erneuerbaren) Energiequellen in ihrer Bilanz zu erreichen. Dabei wird berücksichtigt, dass es keinen Sinn macht, etwa Nordskandinavien mit Solarzellen zuzupflastern. Emissionen sollen dort eingespart werden, wo es am Wenigsten kostet – also dort wo es auch technisch am Sinnvollsten ist. Über den sogenannten „Emissionshandel“ können sich Länder dann ihre Bilanz verbessern, indem sie nicht zuhause, sondern an anderen (möglicherweise sinnvolleren) Orten in entsprechende Projekte investieren. (Die EU hat dafür ein eigenes Handelssystem.)

Griechenland ist eines der Länder, das seine „Kyotoziele“ bisher übertroffen hat (und durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch vermutlich die Bilanz noch verbessert hat – wo nichts produziert wird, wird nichts verdreckt). Was am ersten Blick jetzt nach etwas aussieht, was sich vielleicht einen Schulterklopfer verdient hat, ist in Wahrheit viel Geld wert. Denn bei internationalen Klimaschutzabkommen sind oftmals Strafzahlungen vorgesehen, wenn man seine Ziele nicht erreicht. Teuer wird das zum Beispiel für Länder wie Österreich, die ihre weitgehend verschlafen haben. Griechenland hingegen kann sich nun schon ganz ohne den Neubau von „Öko-Kraftwerken“ erlauben, seine Bilanz zu verschlechtern. Es hat ein Guthaben in seiner Bilanz, das es verkaufen kann. Und dieses Guthaben will das sonnige Land ausbauen, indem es weitere Solarkraftwerke baut.

(Die Gründe dafür, warum manche Länder besser und andere schlechter dastehen, sind unterschiedlich. Fakt ist: Das sind die Rahmenbedingungen.)

Die Bilanz zählt

Die Länder Europas, die dieses Guthaben kaufen wollen (aber leider keine Leitung nach Griechenland haben), produzieren mehr als genug Energie für sich. Ihr Problem ist, dass diese im Rahmen der Klimaabkommen zu schmutzig ist. Sie müssen also ihre Bilanz aufbessern. Und genau dafür bezahlen sie Griechenland beim „virtuellen“ Energiehandel. Zwar wird der angesprochene Strom überhaupt nicht in anderen Ländern verbraucht, sondern in Griechenland selbst (das dann profitiert, weil wegen des Überschusses entweder Energie billiger wird (gut für die Wirtschaft) oder schmutzige Kraftwerke im Land abgeschaltet werden können (gut für das Klima)), aber in der Bilanz scheint er – zum Beispiel – in Österreich auf.

Die Binsenweisheit „Strom hat kein Mascherl“ muss man wirklich verstehen, um zu kapieren, warum ungelieferter Strom ein Geschäft ist. Strom aus Atomkraftwerken und Kohlekraftwerken sieht genau gleich aus und funktioniert genau gleich, wie Strom aus Solar- oder Windkraftwerken. Wie Energie erzeugt wird, ist nicht für das Endprodukt entscheidend, sondern für Klima und Umwelt. Wichtig für das Weltklima ist deshalb, dass Energie weltweit sauberer produziert wird als bisher. Ob ein Land wie Österreich jetzt ein Solarkraftwerk baut, das direkt an die heimischen Haushalte angeschlossen wird und kalorische Energiegewinnung aus dem europäischen Netz ersetzt, oder ein Solarkraftwerk in Guatemala das kalorische Energiegewinnung in Zentralamerika, ist dem Klima komplett egal.

Bilanzen beschreiben die Realität

Diese Art des Handels mag auf den ersten Blick absurd erscheinen, aber besonders unter den gegebenen Rahmenbedingungen ist es das nicht. Dabei wird niemand betrogen und getäuscht. Die internationalen Klimaabkommen belohnen kein Land dafür, dass es seine Ziele übertrifft. Aber sie erlauben es Ländern, Kapital aus der positiven Bilanz zu schlagen. Für das Klima ist es auch egal, wo genau Emissionen eingespart werden, wichtig ist, dass in sauberere Energieformen investiert wird – was auf diese Weise geschieht. Es leidet nur darunter, dass die formulierten Ziele auf diese Weise sicherlich nicht übertroffen werden. Funktionieren tut dieser Handel vor allem so lange, wie auf Käuferseite ohnehin genug Energie vorhanden ist. Eine direkte Leitung aus Ökoenergie-reichen zu Ökoenergie-armen Ländern wird erst dann nötig, wenn Engpässe in den Importländern auftreten. Für das Klima verpufft der Effekt vor allem dann, wenn die produzierenden Länder keine Möglichkeit mehr haben, den gewonnenen „sauberen“ Strom zu verwenden.

Kurz zusammengefasst: Obwohl der Effekt auf der Bilanz von Ländern basiert und nicht tatsächlich Strom geliefert wird, hat er reale Auswirkungen.
1. Griechenland (oder andere Kyoto-Übererfüller) verdient Geld (was einen Anreiz zum Klimaschutz gibt) und schafft Arbeitsplätze.
2. Kyoto-Verpasser zahlen Geld (was einen Anreiz gegen die Klimazerstörung gibt und für eigene Projekte gibt).
3. Dieses Geld wird in den Ausbau von erneuerbarer Energiegewinnung investiert (was das Klima schützt).

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wo man bei diesem System falsch abbiegen kann. Mir ging es hier vor allem darum, das Prinzip zu erklären, das an manchen Stellen zu Unrecht belächelt, attackiert und verspottet wird.

Fotocredits: Bluejeansummer, CC2.0 BY-NC-SA, Infografik: Information is beautiful

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