Kollege Andreas Sator hat hier unlängst Studiengebühren höflich abgelehnt. Und doch fühle ich mich genötigt, ihn zu ergänzen. Denn er schreibt: „Das ist meines Erachtens die alles entscheidende Frage. Werden Menschen durch Studiengebühren vom Studium abgehalten?“. Und er stellt damit die falsche, ultimative Frage. Was wir festhalten können ist Folgendes: Hochschulbildung hat einen wichtigen Wert. Von ihr profitiert nicht nur der einzelne Akademiker, sondern die gesamte Gesellschaft. Sie ist eine entscheidende Kraft für die Qualität der Wirtschaft, der Demokratie und Politik, des Journalismus und der Medien, des Rechtsstaats, der Wissenschaft und damit allgemein des Fortschritt. Es ist kein Zufall, dass Österreich als Land mit mieser Akademikerquote auch in fast all diesen Fragen anderen Industrienationen hinterherhinkt.

Wir sind als Land darauf angewiesen, dass der Zugang zu diesen Systemen allen Menschen offen steht. Weil nicht die elitäre Inzucht sondern der egalitäre und faire Wettbewerb das größtmögliche Potential der Gesellschaft birgt. Und dieser Zugang geht (nicht ausschließlich aber doch) über den Bildungsweg der Hochschulen. Die Richter, Ärztinnen, Wissenschaftler und Politikerinnen dieses Landes sollen nicht die besten unter den Reichen sein, sondern die besten aus allen. Es ist nicht nur eine persönliche, sondern auch eine gesellschaftliche Tragödie, wenn soziale Hürden ein Talent begraben oder behindern.

Studiengebühren gefährden diesen Weg. Das lässt sich ökonomisch sehr simpel begründen. Was kostet, ist riskant. Was riskant ist, machen weniger Menschen. Kostet ein Mindeststudienzeit-Bachelor für einen Menschen 3.000 Euro (was einem Studiengebührenwesen entspricht, das vielleicht ein Zehntel des finanziellen Hochschul-Zusatzbedarfs finanzieren könnte) oder eben mehr, sind das massive Investitionen. Wer mit dem Goldlöffel gefüttert wurde, wird jetzt vielleicht den Kopf schütteln. Aber in diesem Land gibt es eine große Masse an Menschen, von denen man das nicht behaupten kann. Für sie ist die Summe groß. Dieses Risiko nicht einzugehen, ist für sie vielleicht auf eine Lebenszeit gesehen keine korrekte Kosten-Nutzen-Rechnung, aber aus der Sicht eines ärmeren Menschen schlichtweg rational (da widerspreche ich Andreas). 750 bis 1000 Euro im Jahr (pro Kind) sind viel Geld.

Studiengebühren gefährden damit den gesellschaftlich und wirtschaftlich wichtigen Wert des egalitären Zugangs zu Universitäten – und damit auch zu allen Entscheidungs- und Elitestrukturen. Und damit sind wir bei der entscheidenden Frage: Muss ein Land wie Österreich dieses Risiko in Kauf nehmen, oder kann es sich öffentlich finanzierte Bildung von der Kinderbetreuung bis zum Universitäts-Abschluss leisten? Und wenns nur ist, um ganz sicher zu gehen, dass die Besten und nicht die Reichsten an seine Spitze gelangen?

Und natürlich kann sich Österreich das leisten. Es muss nur wollen. Es muss nur seine verstaubten Strukturen in der kostenintensive Verwaltung, seine intransparenten Pfründe und seine maßlose klientelistische Verschwendung beenden. Es müsste sich nur dafür entscheiden, Arbeit (und damit ärmere Menschen) zu entlasten und Vermögen und Einkommen aus Vermögen angemessen zu besteuern (und damit Reiche). Es bräuchte nur nächstes Mal Hörsäle bauen statt Eurofighter zu kaufen. Oder es könnte endlich Energieautarkie und Elektromobilität anstreben, statt Milliarden im Ausland für Kohle, Gas, Atomkraft und Öl auszugeben.

Wenn es nur diese Hausaufgaben machen würde, dann brauchen wir wegen der Kosten des freien Hochschulzugangs ja noch nicht einmal mit der Wimper zu zucken. Wir könnten sogar noch viel mehr tun, zum Beispiel Förderungen für eine höhere soziale Durchmischung an den Hochschulen einsetzen (weil Studiengebühren ja nur ein kleiner Teil der immensen Kosten sind). Grundsicherungen oder Stipendien – wie auch immer man will. Und immer noch würde Geld für andere Dinge übrig bleiben: Für existenzsichernde Pensionen. Für das Pflegewesen. Für Bankenrettungspakete. Ja, so viel wird in diesem Land verschwendet, dass das möglich wäre.

Sollte tatsächlich einmal ein Zustand erreicht sein, dass diese exorbitant freche Verschwendung eingestellt wurde, und trotzdem das Geld für freie Bildung fehlen, dann kann man mit mir gerne über Studiengebühren sprechen. Und zwar für jene Leute, die bereits gratis studiert haben und jetzt tatsächlich groß Kohle scheffeln. Die hält man mit Sondersteuern nämlich nicht mehr vom Studieren ab – da stimmt die Theorie.

Aber bis dieser Zustand erreicht ist? Solange jedes Jahr unzählige Milliarden in Verschwendung, Unfähigkeit, Korruption und Pfründen versickern? Solange sind Studiengebühren auch eine Entscheidung: Gegen eine Ideologie für eine gleichberechtigt gebildete Gesellschaft, und für eine Ideologie der Verschwendung und Korruption. Denn das ist es, was in dieser Situation mit den Studiengebühren tatsächlich subventioniert wird.

Fotocredits: tobistadler, CC2.0 BY-NC-SA

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