Die Seiten der englischen Times sind nun hinter der neuen Paywall versteckt. Das heißt, noch nicht ganz. Wer sich jetzt registriert, darf den Inhalt des Londoner Qualitätspapiers noch ein bisserl gratis „testen“. Hinterher werden Suchmaschinen und nicht-zahlende LeserInnen (1 Pfund pro Tag oder 2 pro Woche) ausgesperrt. Rupert Murdoch und seine StrategInnen werden einige Ideen brauchen, damit man den Content der Times dann noch irgendwie findet. Ich denke, so funktioniert das Geldverdienen online nicht, weil Online so nicht funktioniert (aber immerhin gut, dass das jemand beweisen wird.)
Mein erster Weg für News aus Großbritannien galt ja schon bisher dem Guardian oder der Independent. Als ich heute dann bei der Times auf eine Meldung klickte und zur Registrierung umgeleitet wurde (übrigens auch noch, nachdem ich mich registriert hatte), gab es keinerlei Impuls, noch länger auf der Seite zu verweilen (später trieb mich die bloße Neugierde über die Funktion). Ist schon zu bezweifeln, dass solche Paywalls überhaupt funktionieren, so werden sie im Alleingang eines Mediums oder weniger Medien auf jeden Fall scheitern.
Das Finanzierungs-Thema bringt mich noch einmal zu flattr. Das lief in den ersten Tagen hier recht ordentlich an, flachte dann wieder etwas ab (ist aber auch immer noch in der Beta-Phase und braucht in Europa dringend die Möglichkeit, das Konto per Bankverbindung aufzuladen). Ungeachtet dessen, ob sich genau dieser Dienst durchsetzt, nehme ich stark an, dass sich zumindest ein ähnlicher etablieren wird.
Die Zahlungswilligen
Oft wird der wirtschaftliche Aspekt im Internet ja relativ falsch dargestellt. „Micropayments“ haben im Web bereits einige Bedeutung. Apples iStore macht mit Apps und Inhalten mehr als nur Peanuts, viele Browserspiele mit Bezahlinhalten sind wahre Goldgruben. Die Menschen werden zunehmend akzeptieren, dass auch seriöse Inhalte finanziert werden müssen, wofür Werbung und Daten-Freizügigkeit alleine vielleicht zu wenig sind. Während sich die Murdochs dieser Welt auf der Suche nach Lösungen in ihr Geschäftsmodell früherer Jahrhunderte zurückziehen und damit die Frage aufwerfen, ob sie jemals mit der Technologie zu tun hatten, mit der sie Geld verdienen wollen, bringt flattr die Gedankenwelt der Kinder des 21. Jahrhunderts zum Ausdruck.
Die sieht so aus: Inhalte sind frei zugänglich, weil sie großteils nicht einzigartig bleiben können. Und sie werden geteilt – die sozialen Beziehungen zwischen Menschen schaffen Ordnung in den unendlichen Weiten der Information. Zwei oder drei Medien allein können nicht alles befriedigen, deshalb sind auch nur die wenigsten bereit, exklusiv für solche Plattformen zu zahlen. Darum braucht es einfache Mechanismen um nicht nur die Inhalte, sondern auch die Belohnung zu verteilen. Man bedankt sich bei Leuten, die etwas Bedankenswertes geschaffen haben. Man bezahlt, was einem gefällt.
Abo für das Internet
flattr lässt dafür einen Betrag pro Monat festsetzen – man bestimmt damit selbst die eigene Abogebühr für das Internet. Das Prinzip ist insofern logisch, weil das Internet ja auch die Medien ersetzt, die man früher abonniert hatte (das tun heute noch viele Menschen, eh klar). Heute stellt man sich die Tageszeitung selbst zusammen – beziehungswiese lässt das Freunde und interessante Menschen tun.
Ob so etwas neben Werbung reichen wird, um die Produktion von seriösen Inhalten im Web zu finanzieren? Man wird sehen. Die „Dankbarkeits-Ökonomie“ hat jedenfalls das Potential, eine Rolle zu spielen.
flattrbook und sein Potential
Richtig spannend wird es dann, wenn große Netzwerke ähnliche Funktionen anbieten. flattrs Problem ist, dass es irgendwie auf eine beachtliche Userbasis kommen muss, um zu funktionieren. Andere haben diese Basis bereits. Es könnte nicht lange dauern, bis Facebook seinen User als freiwillige Option anbietet, Guthaben auf das Konto zu laden, und dieses dann mit dem Like-Button zu verteilen. Es gäbe dafür auch Anreize neben bloßer Menschenliebe: ein „flattrbook“ könnte solchen UserInnen beim Daten- und Privatsphärenschutz etwas entgegenkommen.
Könnten sich von den 400 Millionen UserInnen nur zwei Prozent dafür erwärmen, zwei Euro im Monat zu verteilen (wovon wie bei flattr 10 Prozent an Facebook gehen) sind das 20 Millionen Euro an Einnahmen pro Jahr und würde 180 Millionen Euro in die Contentproduktion fließen lassen. Motiviert Facebook mehr Menschen, dann schießt so ein Feature das Unternehmen möglicherweise aus den roten Zahlen. Facebook alleine könnte so realistischerweise über eine Milliarde Euro pro Jahr in die weltweite Contentproduktion pumpen (5 Prozent der NutzerInnen, 5€ pro Monat), umgelegt auf Österreich wären das fünfeinhalb Millionen Euro – also zwischen fünf bis zehn Prozent des Gesamtvolumens der hiesigen Onlinewerbung.
Und würde diese Dankbarkeits-Ökonomue gar zum Massenphänomen, würde sich das Problem der Finanzierung von Journalisms & Co. im Internetzeitalter in Luft auflösen. Die Frage ist: Wären Awareness-Kampagnen für ein derartiges Umdenken nicht sinnvoller, als Millionen hinter Paywalls zu versenken?
PS: Wer flattr bereits nutzt
Hier noch einmal die Liste der Angebote, die schon flattr nutzen. Mithilfe erwünscht: