Falls jemand noch nie einen Kommentar von Anneliese Rohrer gelesen hat, sei ihm hiermit eine rasche Zusammenfassung vieler davon geliefert: „Österreichs Junge sind viel zu brav und egoistisch angepasst (und die duckmäuserischen Alten sind als schlechte Vorbilder schuld daran)„. Ich habe dieses Lamento jetzt schon einige Male zu oft gelesen. Obwohl ein großer, wahrer Kern darin steckt, teile ich den Befund so nicht mehr.
Es gibt natürlich diese passiven und unkritischen Jungegoisten, die man wie Rohrer als „Generation Scheiß drauf“ bezeichnen könnte (wenn man meint, dass diese Generation noch nicht mit genügend negativen Überbegriffen gestraft ist). Vielleicht gibt es heute etwas mehr als früher, vielleicht auch nicht. Jedenfalls hat es diese Gruppe schon immer gegeben. „Ein gesteigertes Politinteresse ist immer ein Minderheitenphänomen„, schrieb ich vergangenes Jahr bereits in einer ausführlichen Behandlung eines solchen Vorwurfs.
Welche Jugend soll das sein?
Die Jugend (die ich breit und doch zu eng als „Unter 30“ verstehe), die Rohrer immer wieder beschreibt, scheint mir nicht die aus meiner Welt zu sein. Ich kenne zum Beispiel viele jener mutigen, motivierten und hervorragenden JungjournalistInnen, deren Existenz Rohrer permanent zu leugnen scheint. In meinem Bekanntenkreis sind ganz allgemein viele politisch interessierte Menschen, die versuchen etwas zu tun etwas tun, was ihnen wichtig erscheint. Und seit #unibrennt (das hier nicht als Aufbegehr-Feigenblatt unserer Generation steht, sondern als simpler Beleg der Falscheit der Pauschalvorwürfe) sind es noch viele mehr geworden.
Rohrer scheint solche jungen Menschen nicht zu kennen. Jedenfalls werden die Jungen, wie ich sie kenne, bei der großen alten Dame des heimischen Journalismus nie in ihrer Kritik ausgenommen oder auch nur erwähnt. Ich muss annehmen, dass jemand bewusst die angebrachte Differenzierung vermeidet, der wie sie mit Worten umzugehen weiß.
Oft – und da wird es etwas paradox – werden solche Rohrer-Beiträge von genau solche Menschen beklatscht, die ich in diese „gute“ Kategorie tun würde. Dabei sollten sie – statt sich der Geißelung verpflichtet und möglicherweise noch darin angesprochen zu fühlen – das Selbstvertrauen aufbringen, sich lautstark auszunehmen und den Denkfehler aufzuzeigen.
Nicht „trotzdem“, sondern „deswegen“ muss das Prinzip sein
Diese Selbstvertrauen fehlt vielen. Das ist nicht nur schade, sondern gefährlich. Ich gebe Rohrer eine Mitschuld daran.
Sie spricht über junge Menschen mit einer Attitüde des Wohlmeinens und mit der Autorität all ihrer Erfahrung – also als Person, der man als Junger ruhig etwas glauben kann (und will). Und in dieser empfindlichen Position des Glaubens werden viele junge Menschen von ihr dann mit einem hoffnungslosen Bild überrumpelt. Was die Grande Dame als ihre „Trotzdem“-Haltung bezeichnet, malt immer eine Welt, in der alles ganz fürchterlich ist und niemand das Richtige tut. Und aus dieser Situation heraus wird der einzelne junge Mensch (ob nun konkret JournalistInnen oder andere) aufgefordert, doch „trotzdem“ den hoffnungslosen Kampf zu führen.
Auch das Hoffnungslose zu versuchen ist ein legitimer Appell. Er ist ja nicht so ganz neu, aber er ist vor allem nicht genug. Dieses „Allein gegen Alle“-Szenario schreckt mehr ab, als man abschrecken müsste. Es begünstigt die Mutlosigkeit, die Rohrer bekämpfen möchte. Autoritäten wie sie, die es gut mit der Jugend meinen, müssten zeitgleich mit der Kritik auch auf jene hinweisen und ihnen eine Plattform bieten, die „es“ richtig machen. Nicht (nur) um deren Egos zu streicheln (was auch wichtig ist), sondern um den Nachrückenden Beispiele zu geben, wie es gehen kann. Statt nur an das innerste und schwierige Ideal zu appellieren, muss man gerade junge Menschen auch ermutigen – das „Deswegen“ betonen, nicht das „Trotzdem“.
Was Anneliese Rohrer auch sagen müsste
Ermutigung soll das Prinzip Rohrers Cafe Landtmann-Stammtisches sein (der mich ja aus irgendeinem Grund bisher nicht anzieht – anderes Thema). Hingegen verpasst sie es in so ziemlich allen mir bekannten Texten, Interviews und Podiumsdiskussionen (also dem öffentlichkeitswirksamen Teil ihres Tuns), etwas von großer Bedeutung zur Jugend zu sagen: „Es gibt den Erfolgsweg, auf dem man etwas ändern kann. Und der ist gar nicht immer nur anstrengend und hoffnungslos, sondern es kann sich wirklich auszahlen, ihn zu gehen“.
Weil auch ich viel Respekt vor Anneliese Rohrer habe, würde ich mir wünschen, dass sich das ändert.